(Editorial MOSAIK SEPTEMBER 2011)

„Wohnenplus“ in Bachenbülach

Die Gemeinden sind gesetzlich verpflichtet, ein bedarfs- und fachgerechtes Angebot für die Langzeitpflege ihrer Einwohnerinnen und Einwohner sicherzustellen. Sie haben dazu dem Kanton bis Ende 2011 ein Versorgungskonzept zur Genehmigung einzureichen.

Aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung aber auch mit Blick auf die erhebliche Zahl von fremdplatzierten Bachenbülacherinnen und Bachenbülachern ist für unsere Gemeinde ein hoher Handlungsbedarf gegeben, umso mehr, als nach dem neuen Pflegefinanzierungsgesetz ab Januar 2011 die Gemeinden für die Restdefizite von Pflegekosten (nach Abzug der Beiträge der Krankenversicherer, der Leistungsbezüger und des Kantons) vollumfänglich aufkommen müssen.

Bedürfnisnachweis der Pflegeplätze

Per 31.12.2010 lebten 92 Einwohnerinnen und Einwohner im Alter von über 80 Jahren in Bachenbülach. Bis ins Jahr 2020 wird diese Zahl nach Hochrechnung auf 163 ansteigen. Die realistische Annahme von 20% extern Pflegebedürftigen ergibt einen Bedarf von 33 Pflegeplätzen.

Für das Jahr 2020 sind mit einer differenzierteren Berechnungsmethode und der Annahme, dass mit gut ausgebauter Heimpflege nur 47% der heute Pflegebedürftigen effektiv einen Pflegeplatz benötigen, mit 34 notwendigen Pflegeplätzen zu rechnen.

Im Februar 2011 waren 23 ältere Personen extern in Pflegeinstitutionen platziert.

Mögliche Zusammensetzung der Pflegeplätze

Im KZU (Krankenheimverband Zürcher Unterland) - neu: IKA (Interkommunale Anstalt) – hat Bachenbülach einen rechnerischen Anspruch auf 8 – 9 Pflegeplätze. Die IKA ist aber aufgrund der Distanz und der zunehmenden Spezialisierung vermehrt für bestimmte Personengruppen oder Akut- und Übergangspflege tätig. Gerade bei Letzteren wird der Bedarf aufgrund der neuen Spitalfinanzierung zunehmen.

Im AZB hat die Gemeinde Bachenbülach als Stiftergemeinde einen Prioritätsanspruch auf 10 Pflegeplätze.

Der fehlende Platz soll nach Meinung von Fachleuten und der Regionalen Arbeitsgruppe Zusammenarbeit Alter (RAZA) in dezentraler Art in „Wohnenplus“- Liegenschaften und geeignet für Pflege von Menschen realisiert werden. Auf dieser Basis wird auch das eingangs erwähnte gesetzlich verlangte Versorgungskonzept regional koordiniert erarbeitet. Damit wird Abschied genommen von grossen, zentralisierten Alters- oder Pflegeheimen zugunsten von lokalen, miteinander vernetzten, in Bedarf und Betrieb miteinander abgestimmten Angeboten.

„Wohnenplus“ steht für eine möglichst selbstbestimmte Wohnform mit weitgehendem Pflegeangebot in kleineren, in der Regel 8er-Wohngruppen sowie in angegliederten Alterswohnungen.

Bedürfnisnachweis altersgerechter Wohnungen

Für den Bedürfnisnachweis nach altersgerechten Wohnungen wurde die heutige Gebäudestruktur der Gemeinde Bachenbülach analysiert. Die Überprüfung zeigt, dass ca. 80 % der über 55-jährigen Einwohner, bzw. 863 Personen, in einem nicht hindernisfreien und deshalb nicht altersgerechten Wohnumfeld zuhause sind.

Die öffentliche Hand hat deshalb ein Interesse daran, dass hindernisfrei gebaute Wohnungen erstellt werden. Bei gleichzeitiger Förderung der häuslichen und ambulanten Pflege kann damit die Notwendigkeit von teureren, stationären Pflegeeinrichtungen stark gemindert und der allgemeine Wunsch, möglichst lange in der eigenen Wohnung leben zu können, erfüllt werden.

In vielen Gemeinden engagieren sich gemeinnützige Genossenschaften oder Stiftungen als Wohnbauträger/Eigentümer für altersgerechten Wohnraum. Der Verzicht von gemeinnützigen Wohnbauträgern auf eine Gewinnausschüttung ermöglicht langfristig günstigere, finanziell tragbare Wohnungen für die ältere Bevölkerung im Dorf zu realisieren.

Platzbedarf Alterswohnungen

Damit Synergien geschaffen werden können, werden im Modell„Wohnenplus“Pflegewohngruppen mit Alterswohnungen kombiniert. Die Pflegewohngruppen können so idealerweise von Dienstleistungen aus den Alterswohnungen (Freiwilligenarbeit) und die Bewohnenden der Alterswohnungen von Dienstleistungen aus den Pflegewohngruppen (Notruf nachts) profitieren. Damit die Dienstleistungen vom Betreuungspersonal der Pflegewohngruppe in die Alterswohnungen ohne erheblichen zeitlichen Mehraufwand geleistet werden können, sollten die Alterswohnungen möglichst im gleichen Haus oder in benachbarten Liegenschaften situiert sein.

Die Verknüpfung von Alterswohnungen und Pflegewohngruppen wird dem Bedürfnis der heutigen Generation gerecht. Diese Generation will nicht mehr in das früher typische Altersheim einziehen, sondern so lang wie möglich in der eigenen Wohnung bleiben. Wenn dies dann auch mit ambulanter Hauspflege nicht mehr möglich ist, bietet sich eine Alterswohnung in einem „Wohnenplus“- Haus als ideale Lösung an, weil rund um die Uhr eine erhöhte Betreuungs-bereitschaft besteht und allenfalls im gleichen Umfeld nach Notwendigkeit in eine Pflege-wohngruppe gewechselt werden kann.

Standortvergleich

Beim Vergleich der beiden möglichen Standorte „Oberdorf“ (Kat.-Nr. 2065) und dem „Unterdorf“ an der Schulhausstrasse sollte nach Ansicht der Alterskommission und des Gemeinderates prioritär die Variante „Unterdorf“ verfolgt werden. Die Gründe dafür sind vielfältig und wurden eingehend geprüft. Als wesentliche Argumente sind beispielsweise die Nähe zur Mehrzweckanlage und die kürzere Distanz zu den OeV-Haltestellen zu nennen.

Unter Einbezug der Liegenschaften Eschenmosenstrasse 2 und Schulweg 3 bietet sich zusammen mit dem gemeindeeigenen Grundstück Schulhausstrasse 4 die einmalige Gelegenheit, eine für das Dorfbild attraktive Überbauung zu realisieren. Diese Lösung unter dem Arbeitstitel „Projekt Unterdorf“ könnte das ausgewiesene Bedürfnis nach Wohnraum und Pflegeplätze für ältere und pflegebedürftige Menschen in idealer Weise abdecken.

Die Variante „Oberdorf“ bleibt denkbar für den Fall, dass aufgrund der komplexen Eigentums-verhältnissen die Variante „Unterdorf“ nicht befriedigend realisierbar ist.

Der Gemeinderat - seit ihrem Bestehen stark unterstützt durch die Alterskommission - beschäftigt sich seit dem Jahr 2006 intensiv mit der Bereitstellung von genügend und geeignetem Wohnraum im Alter. Die Abstimmung mit den übrigen Kreisgemeinden trägt Früchte und zeigt kosteneffiziente Lösungen für unsere kommunalen Bedürfnisse. Freuen Sie sich mit uns auf eine Zukunft mit „Wohnenplus“ in Bachenbülach.

Walter Dietrich

Vorstand Gesundheit und Umwelt